Ich plädiere dafür, dass die Politik den Tourismus stärker als Querschnittsthema behandelt und die föderalen Ebenen zukünftig enger zusammenarbeiten, um konkrete Strukturverbesserungen und Wertschöpfung in den Tourismusregionen zu schaffen. 

Wirtschafts- und Verwaltungswissenschaftler Julian Joswig ist Sprecher der LAG Wirtschaft & Finanzen von Bündnis 90/Die Grünen Rheinland-Pfalz und Bundestagskandidat im Wahlkreis Mosel/Rhein-Hunsrück.

Seit Beginn der Corona-Pandemie im März 2020 haben viele Wirtschaftszweige, vor allem im Bereich der Dienstleistungen, enorme Schäden erlitten. Um die pandemische Ausbreitung des Virus zu stoppen, wurde das öffentliche Leben eingeschränkt – hiervon war der Tourismus mit seinen verschiedenen Facetten stark betroffen: die Gastronomie wurde auf den Verkauf von abgepacktem Essen beschränkt, der Kulturbetrieb kam zum Erliegen und durch Beherbergungsverbote und -einschränkungen blieben Hotels, Pensionen und Ferienwohnungen leer. Viele familiengeführte Betriebe haben die Krise nicht oder nur schwer überstanden und es ist wichtig, dass die Branche nun auch langfristig die politische Aufmerksamkeit bekommt, die sie verdient.

In meiner rheinland-pfälzischen Heimat ist der Tourismus ein zentraler Wirtschaftsfaktor und wichtiger Arbeitgeber für tausende Menschen. Doch neben seiner ökonomischen Bedeutung bringt ein durchdachtes Tourismuskonzept auch für die Einheimischen viele Vorteile und Lebensqualität. Der Schutz von natürlichem Lebensraum sowie gezielte Investitionen in nachhaltige Infrastruktur, bspw. die Reaktivierung von stillgelegten Bahntrassen oder der Ausbau von Radwegen und E-Ladestationen, erhöhen die Standortattraktivität und schaffen wichtige Impulse vor Ort. Dementsprechend muss Tourismus auch als vernetzende und strukturstärkende Branche gesehen werden, gerade in ländlichen Regionen.

Das Sprichwort „den Gästen einen guten Empfang bereiten“ hat mit Blick auf den schleppenden Breitbandausbau und Mobilfunklücken im ländlichen Raum einen tiefergehenden Sinn. Ein nachhaltiger Tourismus und Digitalisierung schließen sich nicht aus – im Gegenteil! Der Tourismus wird immer vernetzter und Angebote wie eine Nationalpark-App oder On-Demand-Mobilität werden genutzt, um abseits der Städte die vielfältigen Landschaften zu erkunden. Im Kontext der Digitalisierung ist es auch wichtig, dass die Branchenimpulse auf eine agile, moderne Verwaltung treffen. Gerade in Gaststätten und Beherbergungsbetrieben gehört die „Zettelwirtschaft“ in Form von analogen Dokumentationspflichten noch zum Alltag dazu und es müssen endlich große Schritte beim Bürokratieabbau gemacht werden.

Die Tourismusbranche verdient eine größere Aufmerksamkeit und sollte durch bundesweite Förderungsangebote, etwa durch weitere Digitalisierungsprogramme und Modernisierungshilfen, auf dem Weg in eine nachhaltige Zukunft unterstützt werden. Auch fiskalpolitische Maßnahmen, wie bspw. eine Ausweitung des steuerlichen Verlustrücktrags, bessere Abschreibungsmöglichkeiten und eine harmonisierte Besteuerung in der Gastronomie, müssen in Erwägung gezogen werden. Gerade im Bereich der Mehrwertsteuer gibt es aktuell eine Vielzahl verschiedener Sätze für Speisen und Getränke, abhängig vom Ort des Verzehrs – hier ist eine Anpassung und ein Abbau von Komplexität angebracht. Der unternehmerische Neustart nach der Corona-Krise darf zugleich die existenziellen Bedrohungen der Klimakrise nicht verdrängen – gerade bei der ökologischen Modernisierung gibt es einen hohen Handlungs- und Investitionsbedarf, um dem gemeinsamen Ziel der Klimaneutralität näher zu kommen.

Umso wichtiger wird es sein, dass der Staat den Betrieben eine umfassende Unterstützung und Beratung bietet. Gerade kleine und mittelständische Betriebe haben aktuell kaum Rücklagen für Investitionen, das muss der Gesetzgeber bei der Gestaltung von Modernisierungsprogrammen berücksichtigen. Ich plädiere dafür, dass die Politik den Tourismus stärker als Querschnittsthema behandelt und die föderalen Ebenen zukünftig enger zusammenarbeiten, um konkrete Strukturverbesserungen und Wertschöpfung in den Tourismusregionen zu schaffen. Insbesondere ein sanfter, naturnaher Tourismus birgt große Chancen für viele Destinationen der Bundesrepublik. Die Menschen im Land haben durch die besonderen Umstände der Pandemie die Nähe zur Natur und regionale Naherholung schätzen gelernt. Diese Angebote im naturnahen Bereich gilt es nun langfristig zu fördern und mit nachhaltigen Strukturmaßnahmen konkrete Wertschöpfung in die Regionen zu bringen