Durch die Sparpolitik der vergangenen Jahre wurden wichtige Investitionen, etwa in Klimaschutz und Technologie, stark vernachlässigt. Die kommende Regierung muss zukunftsorientierter wirtschaften.

Jan-Lukas Schmitt ist Redakteur im Finanzressort für die WirtschaftsWoche und Bundestagskandidat in seinem Heimat-Wahlkreis Waldshut.

Wir Deutschen haben so unsere Eigenarten. Während in vielen Staaten Parteien fürs Geldausgeben gewählt werden, freuten wir uns lange über die schwarze Null. Doch in der Coronakrise folgte die Kehrtwende. Finanzminister Olaf Scholz, bekannt für Sparsamkeit und Verfechter der Schuldenregel, machte keine halben Sachen. Am Geld soll’s nicht scheitern, war das Motto der Corona-Finanzstrategie. Kurzarbeitergeld oder Zuschüsse für den Gesundheitsfonds sind selbstverständlich wichtige Stützen. Doch mit dem Geld wurde auch viel Unsinn finanziert.

Die Mehrwertsteuersenkung etwa kostete uns nach Schätzungen des Finanzministeriums fast 20 Milliarden Euro, verpuffte jedoch wirkungslos, was Ökonomen bereits im Vorfeld prophezeiten. Zum Vergleich: In die Förderung von grünem Wasserstoff, einem sauberen Energieträger, der die Energiewende revolutionieren könnte, investieren wir in den kommenden Jahren nicht halb so viel. Egal, wir haben es ja. Schließlich haben wir gespart.

Außerdem hat die schwarze Null der letzten Jahre die „Bazooka“, wie Scholz die Staatshilfen in Rekordhöhe nannte, erst ermöglicht – sagt zumindest Unionsfraktionsvize Andreas Jung, der für Haushalt und Finanzen zuständig ist. Ähnlich klingt es bei Scholz. Doch die Argumentation hinkt, die EZB kaufte alles, was Stabilität für Mitgliedsstaaten in der Krise versprach, etwa italienische Anleihen mit Triple-B-Rating. Eine Stufe darunter gelten die Papiere per Definition als „Junk“ – Schrott.

So geschätzt unsere schwäbische Haushaltspolitik in konservativen Lagern und bei den Regierungsverantwortlichen auch sein mag: Aus der Portokasse bezahlen wir die Corona-Hilfen nicht, mehr als 40 Prozent sind geliehen. Haben wir unseren Sinn für das Sparen also verloren, ist es Zeit für eine Veränderung unserer Finanzpolitik? Mitnichten – zumindest, wenn es nach den Regierungsparteien geht. In Scholz‘ Haushaltsentwurf für die kommenden Jahre fiele die Nettokreditaufnahme 2022 stark ab, 2023 wirtschafteten wir wieder im Einklang mit der Schuldenregel. Geld für Investitionen in Klimaschutz, Digitalisierung und Infrastruktur wäre trotzdem da, sagt der Finanzminister. Ob das aufgeht, ist fraglich.

Geradezu unseriös wirkt hingegen das jüngst vorgestellte Sofortprogramm der CDU. Kanzlerkandidat Armin Laschet, für den neue Schulden nicht in Frage kommen, verspricht reihenweise Entlastungen: für Familien, Hauseigentümer, Unternehmen. Dem Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung zufolge beliefen sich die daraus resultierenden Einnahmeausfälle auf etwa zehn Milliarden Euro. Woher das Geld kommen soll? Steht nicht drin.

Die Grünen hingegen warten mit dem krassen Gegenteil, einem offensiven Investitionsprogramm auf. 500 Milliarden sollen in den kommenden zehn Jahren fließen, um Deutschlands Wirtschaft zukunftsfähig umzubauen – für Klimaschutz und langfristige Wettbewerbsfähigkeit. Das Düsseldorfer Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) hat die möglichen Folgen durchgerechnet, prognostizierte einen Anstieg der deutschen Wirtschaftsleistung bis 2040 um vier Prozent, die Schuldenquote läge 2050 etwa auf demselben Niveau wie ohne Investitionsprogramm. Tatsächlich scheint der Zeitpunkt um Schulden zu machen geradezu ideal: Deutschland verfügt auch nach der Krise über solide Staatsfinanzen und ein erstklassiges Kreditrating. Die Zinsen sind historisch niedrig, das Vertrauen in unsere Staatsanleihen hoch.

Mit der Ankündigung neuer Schulden in einen Wahlkampf zu gehen, ist historisch betrachtet jedoch gewagt. Noch kein*e Politiker*in gewann die Stimmen der Republik mit der Ankündigung höherer Ausgaben. Kohl, Schröder, Merkel: Sie alle appellierten an die Sparsamkeit der Deutschen. Mit Erfolg. Doch der Sparkurs der vergangenen Jahre nagte am soliden Gerüst unserer Wirtschaft und Infrastruktur. Nicht nur, dass viele Ausgaben, die der Bund finanzieren müsste, den ohnehin unter der Schuldenlast ächzenden Kommunen auferlegt wurden. Essenzielle Investitionen wurden viel zu lange aufgeschoben, um den Haushalt schuldenregelkonform zu beschließen. Klimaschutz, Digitalisierung der Schulen, Batteriezellenforschung, Infrastruktur im ländlichen Raum, sozialer Wohnungsbau – all das opferten wir bereitwillig auf dem Altar der schwarzen Null.

Die kommende Regierung wird den Schäden ausgebliebener Subventionen in diesen wichtigen Zukunftsbereichen hinterherlaufen. Die Klimawende wird es viel Zeit kosten – und die junge Generation eine Menge Geld. Angesichts der gewaltigen Konjunkturprogramme in den USA und China ist die Frage, wie wir künftig wirtschaften wollen, auch handelspolitisch eine wichtige Richtungsentscheidung. Der Niedergang unserer Solarindustrie zu Beginn des vergangenen Jahrzehnts sollte Mahnmal für mickrige Subventionen und die darauffolgende Abhängigkeit in essenziellen Zukunftsbereichen sein: Stoppt China heute den Export einzelner Bauteile, stockt unsere Energiewende.

Dass die globale Klimakrise auch finanziell verheerend ausfallen wird, ist im Bewusstsein der Deutschen angekommen. Dass eine Reform der Schuldenbremse die Grundlage für angemessene Investitionen ist, dürfte sie hingegen verunsichern. Doch die mit dem Klimawandel einhergehenden Risiken wachsen täglich, genau wie die damit verbundenen Schäden. Die kommende Regierung muss deshalb konsequent voraussehend handeln und das Spardogma aufbrechen, um unsere Wettbewerbsfähigkeit und unseren Wohlstand langfristig zu sichern. Zukunftsgerichtete Investitionen können wir uns leisten – weiteres Kaputtsparen hingegen nicht.